Montag, 30. September 2013

Wie ich beinahe den Bambinilauf gewonnen hätte

Gestern musste sich der Läufer entscheiden: Berlin oder Bertlich. Während man sich für den Berlin-Marathon neuerdings nur noch per Losverfahren bewerben kann, ist in Bertlich eine Voranmeldung weder nötig noch möglich. Dort kommt man hin, zahlt 16 statt der Berliner 98 Euro und läuft los. Den Mangel an Sehenswürdigkeiten versucht man in Bertlich durch die Menge der angebotenen Wettkämpfe zu kompensieren. Zusätzlich zur Marathondistanz locken dort Strecken über 850 m, 5 km, 7,5 km, 10 km, 21,1 km, 25 km und  30 km Lauffreunde aller Leistungsklassen.

Nachdem ich im letzten Jahr in Berlin war, fällt diesmal die Wahl auf Bertlich. Statt der vollen Marathondistanz reicht mir diesmal die Hälfte. Mein Sohn hat sich den 10-km-Lauf ausgesucht, da es nicht viele Veranstaltungen gibt, bei denen ein 12-Jähriger offiziell für diese Strecke melden darf.

Kühle Temperaturen, blauer Himmel, Sonne und starker, fast stürmischer Wind bilden die Wettkampfbedingungen auf dem durchgehend asphaltierten Wegverlauf. Das Profil ist mit dem Attribut "wellig" vielleicht am besten beschrieben, ganz flach ist es jedenfalls nicht. Diesmal gelingt es mir, am Start nicht gleich zu schnell zu starten. Im Gegenteil, ich bin zu langsam und hatte mich wohl etwas zu weit hinten aufgestellt. Bis Kilometer 2 arbeite ich mich durchs Feld nach vorn und erreiche die führende Frau. Kurz bleibe ich in ihrem Windschatten. Beschließe dann aber, dass sie zu langsam und als Windschatten ohnehin zu klein ist und ziehe weiter. Ab jetzt wird es ein einsames Rennen durch die windgepeitschten Felder. Vor mir ist niemand zu sehen. Nur Läufer aus den vielen anderen Rennen bevölkern gelegentlich die Wege und kleinen Straßen. Sie bieten aber keine Orientierung fürs Tempo und taugen nicht als Zugpferd. Also kämpfe ich allein weiter, nur gegen die Uhr. Die narrt mich. Mal sind die Kilometerzeiten beeindruckend schnell, mal demotivierend langsam. Laufe ich denn nicht konstant? Sind die Markierungen falsch aufgestellt? Machen die flachen Anstiege und der enorme Gegenwind so viel aus? Ich werde das Rätsel bis zum Zieleinlauf ins Stadion nicht lösen. Dort wartet eine ganz andere Herausforderung auf mich. Ich gerate mitten in den Bambinilauf und laufe im Zick-Zack über die Aschenbahn. Nach dem nahezu zuschauerfreien Kurs herrscht hier im Stadion großer Kontrast. Die Zuschauer schreien inbrünstig und feuern frenetisch an. Doch ihre Aufmerksamkeit gilt nicht mir, sondern nur dem Läufernachwuchs, auf den der eigene Ehrgeiz projiziert wird. Mit Tunnelblick und Schnappatmung nehme ich auf der Zielgeraden im letzten Moment ein Winken am Ende der Parallelspur wahr und wechsele hinüber. Fast wäre ich ins Bambiniziel gelaufen!

Ein Blick in die Liste des Zeitnehmers zeigt mir, dass ich mit einer 1:30er Zeit als Siebter eingelaufen bin und Dritter meiner Altersklasse wurde. Damit will ich heute zufrieden sein!

Und schon wieder ist Eile geboten, denn der Zieleinlauf über 10-km steht bevor. Wenn ich vorher duschen und mich umziehen will, muss ich mich sputen. Denn der Pulsmesser-Nachwuchs will heute seine Bestzeit von gut 47 min verbessern und hat 45 min angepeilt. Pünktlich zur 45-Minuten-Zeit bin ich wieder mit scharfer Kamera am Zieleinlauf. Da steht der Junge schon lässig lächelnd im Nachzielbereich. Mit glatten 43 Minuten lief er ziemlich genau mit der heutigen Pace seines Vaters. Damit hat er nicht nur die alte Bestzeit pulverisiert, sondern auch seine Alterklasse gewonnen. Und wieder bringt der Nachwuchs einen Pokal und einen stolzen Vater nachhause.

Ganz schön schnittig dieses Pulsmesserchen!

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