Montag, 25. August 2014

Rheinuferlauf Wesseling



Die Motivation im Keller, die Fitness im Eimer und ein 10er im Trainingsplan. So stellt sich die Situation am 23. August 2014 dar. Zwar reise ich diszipliniert zum Rheinuferlauf nach Wesseling, habe aber alle Ambitionen zuhause gelassen. Eine Zeit unter 40 min soll mir heute reichen.

Der Junior darf ganz offiziell in seiner Altersklasse MU14 für die 10-km-Distanz melden. Doch auch er hat heute kein gutes Gefühl vor dem Start. Dabei sind die Bedingungen mit 18 Grad bei bedecktem Himmel nahezu optimal. Nur der Wind frischt kurz vor dem Startschuss um 16:30 Uhr auf. Da er auf der ersten Hälfte der 5-km-Pendelstrecke als Rückenwind weht, bleibt noch die Hoffnung auf eine plötzliche Flaute beim Rückweg.

Start und Ziel auf der Rheinpromenade Wesseling
Anfangs laufe ich Seite an Seite mit der vierten Frau die Rheinpromenade entlang. Ein Blick zur Uhr zeigt, dass ich wie üblich zu schnell starte. Seltsamerweise fühlt sich das hohe Tempo gut an. Dennoch muss ich die vier Damen ziehen lassen. Erwähnten sie nicht eben im Interview mit dem Moderator eine Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften? Nicht meine Liga! Ich muss meine eigene Geschwindigkeit finden. Da die Kilometer nicht ausgeschildert sind, bleiben dafür nur Körpergefühl und GPS. Außerdem bieten die Wendemarken der 1-, 2- und 5-km-Läufe Orientierung.

Längst sind Promenade und Rheinpark verlassen. Einsam renne ich den topfebenen, asphaltierten Weg zwischen Wasser und Gehölz am Rhein entlang. Der Bewuchs verschont das Auge vom Anblick der umfangreichen Anlagen der chemischen Industrie. Nur den seltsamen Geruch vermag er nicht zu kaschieren. Doch ich bin nicht hier, um mich am Liebreiz der Landschaft zu ergötzen. Heute ist Wettkampf! Und die Wendemarke der 5-km-Läufer ist nach 9:26 erreicht. Sollte mir doch eine 38er Zeit vergönnt sein? Zumindest signalisiert der Körper, er könne in diesem Tempo weiterlaufen. Wird der Kopf ihn dazu permanent antreiben können, so ganz allein hier am Rhein? (OK, OK, zum Reimen bin ich auch nicht hier.)

Rettung naht von hinten. Schritte eines Konkurrenten werden hörbar. Breche ich etwa ein? Gas geben! Das geht eine Weile gut. Dann zieht der Mann gleichauf. Ich sträube mich. Er fällt zurück. Dann versucht er es noch einmal. Und ich gebe mich geschlagen. Kurz darauf schnauft an uns beiden mit beeindruckender Geräuschkulisse ein ergrauter, drahtiger Herr im blauen Vereinsdress vorbei. Ist es sonst das angeblich schwache Geschlecht, das meinen Ehrgeiz anstachelt, fühle ich mich heute vom Alter herausgefordert. Ich hänge mich dem Grau-Blauen an die Fersen, und gemeinsam lassen wir Verfolger Nr. 1 zurück. Die Wendemarke passieren wir nach 18:59. Meine Herren! Selbst wenn ich das Tempo auf dem Rückweg nicht ganz halte, kann das noch eine Bestzeit werden!

Alles, was ich tun muss, ist an meinem Tempomacher dranzubleiben. Der dreht sich immer wieder nach mir um. Ja, ich bin noch da! Allerdings erfordert das meine ganze Konzentration. Kaum schweifen die Gedanken etwas ab, schon wird der Abstand zum „Blaumann“ größer. Das kann ich nicht zulassen!

Dann kommt mir der Junior fröhlich lächelnd entgegengejoggt. Was ist los, ist der heute nicht im Wettkampfmodus? Er scheint für seine Verhältnisse etwas spät dran zu sein. Offenbar hat er ohne km-Schilder kein richtiges Tempogefühl und gibt erst auf der zweiten Hälfte Vollgas. Trotzdem wird er seine Altersklasse gewinnen. Und das, obwohl er heute ausnahmsweise Konkurrenz hat. Ein deutlich kleinerer Bursche läuft vor ihm ins Ziel, steht in der Ergebnisliste jedoch in der MU18.

Nun, dann ist heute offenbar Vatertag. Der Gegenwind ist nicht so stark wie befürchtet, auch wenn die erhoffte Flaute ausbleibt. Für eine willkommene Abkühlung sorgt der jetzt einsetzende Regen. Plötzlich wird eine der führenden Läuferinnen sichtbar. Und sie kommt immer näher. Ihr blaues Hemd weist sie als Team-Kollegin meines ergrauten Tempomachers aus. Doch was ist los? Schwächelt er jetzt? Der Abstand zur Dame bleibt auf einmal konstant.

Tribüne im Start-/Zielbereich im Rheinpark Wesseling
Dann überschreiten wir die 5-km-Wendemarke, die die letzten 2,5 km signalisiert. Die schaffe ich auch ohne Hasen! Ich ziehe, nicht ohne Dankbarkeit für die geleistete Führungsarbeit, an meinem Schrittmacher vorbei. Und wenn ich schon dabei bin, überhole ich auch gleich noch seine Team-Kameradin. Die lässt sich davon motivieren und beschleunigt ebenfalls. Ihre Schritte bleiben hinter mir wahrnehmbar. Als der Zielbogen in Sicht kommt, zieht sie hörbar an. Das wiederum ist mir zusätzlicher Ansporn zu einem Spurt, der das Rennen für mich nach unglaublichen 37:59 zu Ende gehen lässt.

Zum dritten Mal in diesem Jahr habe ich eine Bestzeit über 10 km aufgestellt. Heute war ich 40 Sekunden schneller als noch im letzten Rennen. Bei aller Begeisterung und Freude wächst zugleich der Druck. Was bedeutet das für die anzustrebende Marathonzeit Ende September?

Mittwoch, 20. August 2014

Appetitlosigkeit

Bei jeder Mahlzeit der gleiche Gedanke: „Schon wieder essen? Ich habe doch gar keinen Hunger!

Auch wenn sich die letzten Berichte möglicherweise anders lesen, war der Urlaub auch ein Urlaub vom Laufen. Fünf Läufe in drei Wochen - das entspricht etwa einer Reduktion meines sonstigen Trainingsumfangs auf ein Drittel. Durch den plötzlich gesunkenen Energieumsatz ist mir der Hunger abhanden gekommen.

Nicht nur der Hunger, auch die Fitness scheint weg zu sein. Als erste Einheit nach dem Urlaub sieht der Trainingsplan 4*3000 m im Marathontempo vor. Beim dritten Intervall schmerzen meine Waden so stark, dass ich mich nicht zu einer vierten Wiederholung in der Lage sehe. Ich kann keine 12 km mehr laufen!

Noch schlimmer aber ist, dass ich gar keine richtige Lust aufs Laufen habe. Konnten mir vor dem 100-km-Lauf die Einheiten nicht lang genug sein, ertappe ich mich jetzt öfter bei dem Gedanken „Wann kann ich aufhören?

Offenbar hat die kleine Auszeit meiner Liebe zum Laufen nicht gut getan. Aus alter Gewohnheit sind wir noch zusammen, funktionieren noch leidlich als Paar. Doch die großen Gefühle sind auf einmal verschwunden.

Wo ist sie geblieben, diese manische Geilheit aufs Laufen? Wo ist er hin, der unbedingte Trieb, die Beine durchs Unterholz zu schwingen?

Ich arbeite tapfer meinen Trainingsplan ab und hoffe, dass sie bald zu mir zurückkehrt - die wahre Lauflust!