Sonntag, 12. Juli 2015

Rote-Nasen-Lauf Ferlach

Nach einigen herrlichen Bergtouren beantragt die Familie einen Ruhetag. Er sei ihr gewährt! Denn das Ansinnen korreliert zeitlich mit dem Rote-Nasen-Lauf in Ferlach am 11.7.2015.

Rote Nasen Lauf

Wenn man die schönsten Berge vor der Haustür hat, gehört schon eine gewisse Portion Gestörtheit dazu, um auf einer schattenlosen, flachen 1-km-Asphaltrunde zwischen 13 und 17 Uhr zu kreiseln. Doch was tut man nicht alles für den guten Zweck? Rote Nasen holen wir Läufer uns im Winter. Dann laufen die Nasen auch mal. Doch hier in Österreich bedeuten "Rote-Nasen-Läufe", dass Spenden für kranke Kinder gesammelt werden. Die sogenannten Clown-Doctors bringen Kindern in Krankenhäusern Freude und finanzieren sich über diese Läufe.

Anmeldung zum Rote Nasen Lauf mit Bergblick

Das Rundendrehen habe ich erst kürzlich ausgiebig geübt. Und wenn ich mir mit der Lauferei schon keine goldene Nase verdienen kann, dann wenigstens eine rote. Ein solches Exemplar aus Schaumgummi erhält jeder Starter bei der Anmeldung. Außerdem erblicke ich in den Händen eines Offiziellen einen Pokal. Na, den würde ich natürlich auch gern noch haben!

Wie beim 24-Stundenlauf in Breitscheid sind neben dem Laufen auch beliebige andere Fortbewegungsarten erlaubt. Und so sind unter den geschätzt 60 Startern auch Wanderer, Radfahrer und Nordic-Walker. Auch ein Herr auf Skikes dreht seine Runden. Die jüngste Läuferin dürfte noch nicht in die Schule gehen, zieht aber völlig autark ihre Bahnen. Die älteste Teilnehmerin scheint direkt vom Bauernhof hierher geradelt zu sein. Mit Kopftuch und karierter Trachtenbluse fährt sie mit ihrem klapprigen Körbchenrad Runde um Runde. Diese werden auf einem Startkärtchen, das jeder Starter mit sich führt, von den Verantwortlichen bei einem kurzen Stopp vermerkt. Die Karte bietet 20 Kreuzchen Platz. Ob ich zwei Karten füllen kann?

Bäuerin mit Startnummer am Rücken

Ein äußerst fit wirkender Athlet hat scheinbar Großes vor. Er ist flott unterwegs und überrundet mich mehrfach. Wenn der das bis um Fünf durchhält, kann ich den Pokal vergessen. Meine Motivation sinkt noch tiefer, als ich sehe, wie einem Einheimischem vor mir nach einer Runde gleich drei Kreuzchen auf die Startkarte gemalt werden. Naja, mach ich hier eben einen langen Trainingslauf.

Gegen Ende von Karte Eins wird es langsam mühselig. Waren wir bei 26 Grad gestartet, ist es mittlerweile so heiß, das der Asphalt kocht und Blasen schlägt. Leider habe ich nur Trailschuhe dabei. Deren ganzes Profil verklebt von dem flüssigen Teer. 38 Grad wird das Auto bei der Abreise anzeigen.

Der Asphalt kocht
Irgendwann macht der Fitte bei seiner Crew im Schatten neben dem Kurs eine Trinkpause und prostet mir zu. Dann holt er mich abermals ein und fragt, wie lange ich denn noch zu laufen gedenke. Ich wähle die Taktik der Einschüchterung: "Bis 17 Uhr natürlich." Anschließend wiegele ich ab. Ich müsse mich ja eigentlich erholen. Das Wort 24-Stundenlauf bringe ich auch noch geschickt unter. Die Kappe vom Berglauf der letzten Woche auf meinem erhitzten Kopf unterstreicht mein als Understatement getarntes Geprotze. "Ich höre heute bei 30 auf.", meint mein temporärer Begleiter. Ist es das Ergebnis meiner psychologischen Kriegsführung?

Angetreten bin ich spontan und ohne Verpflegung. An der Strecke gibt es nur Wasser. Mehr als 30 km schaffe ich so auch nicht. Um 12 Uhr hatte ich eine Banane. Langsam brauche ich Kalorien. Doch die sind nicht in Sicht. Ein Pärchen betreibt aber eine private Dusche per Gartenschlauch für die Läufer. Dankend lehne ich den Service auf jeder Runde ab. Stattdessen erbettele ich mir hier zwei trockene Scheiben Toastbrot. Meine Rettung!

Eine Läuferin fragt nach meinen gelaufenen Kilometern. "Dreißig", lautet meine Antwort. "Dann mach mor finf voll, i hoab a drai!" Was trennt die Deutschen und Österreicher am meisten? Die gemeinsame Sprache. Wie mag da erst die Kommunikation mit den Griechen beim Euro-Beitritt abgelaufen sein? Offenbar wurde da auch die eine oder andere Zehnerpotenz unterschlagen.

Auch die Rundenzählung scheint bei der Hitze nicht so einfach zu sein. Als meine zweite Startkarte gefüllt ist, habe ich im Wortsinne ein paar Umdrehungen weniger "auf der Uhr". Ob ich verpasst habe, das Rundenknöpfchen zu drücken, oder auch mir mehrere Kreuze pro Runde zuteil wurden, ist unerheblich. Zum einen, weil die Sponsoren pro gelaufene Runde zahlen. Zum anderen, weil ich so oder so die meisten Kilometer erlaufen habe. Und dafür bekomme ich tatsächlich den Pokal als "Bester Läufer"!

Pokal "Bester Läufer"

In der nahen Sporthalle möchte ich zum Abschlus duschen. Als ich gerade die Umkleide entern will, treten zwei junge Damen heraus. Erschrocken erkundige ich mich nach der Dusche für Jungs. Lachend erklärt man mir, das sei hier gemischt. Da erinnere ich mich, dass auch letztes Jahr nach dem Villacher Citylauf Frauen und Männer gemeinsam duschten. Der Pokal mag heute nach Deutschland gegangen sein. Beim entspannten Umgang mit dem anderen Geschlecht hat ganz klar Österreich die (rote) Nase vorn.

Samstag, 4. Juli 2015

Koschuta Berglauf

Frau Pulsmesser hat es verboten. Denn Rotz und Husten sind noch nicht komplett verschwunden. Die dauernden Kopfschmerzen könnten allerdings auch von der extremen Hitze verursacht sein. Aber manchmal muss ein Mann eben tun, was ein Mann eben tun muss.

Das Seeufer mit rufendem Berg im Hintergrund

Lange genug habe ich am Seeufer rumgelegen. Jetzt will ich in die nahen Berge! Am 4.7.2015 lockt mich der Koschuta Berglauf zum Gasthaus "Terklbauer". Von dort sollen die vielleicht 100 Starter 10 km bergauf zum Koschuta-Haus laufen. Gut 800 Höhenmeter sind dabei zu überwinden.

Die Startmoderation macht deutlich, dass die Temperaturen in hiesigen Gefilden ebenfalls nicht normal sind. Was nimmt man sich da vor? Ich will unterwegs nicht gehen und nach weniger als einer Stunde im Ziel sein. Beide Vorgaben werde ich verfehlen.

Schon beim Einlaufen wird klar, dass ich unter den ganzen einheimischen Bergfexen fehl am Platze bin. Als Einziger kaspere ich mit Lauf-Abc herum und ernte entsprechenden Spott. Die Lokalmatadoren biegen einfach von der Talstraße ab und rennen links und rechts die Berge hoch. Ich versuche es rechts und muss kämpfen, um im Laufschritt zu bleiben. Das kann ja lustig werden!

Der Lauf wird in die Analen der Pulsmesser-Geschichte als derjenige eingehen, bei dem ich mal nicht zu schnell gestartet bin. Auf dem ersten, flachen Kilometer über besagte Talstraße halte ich mich an einen Mitstreiter, der mir in Alter und Statur ähnelt. Er ließ verlauten, dass er diesmal nicht den Fehler des zu schnellen Starts wiederholen wolle. Guter Mann! Das Feld entschwindet uns.

Hinter der ersten Kilometer-Marke verlassen wir das Tal. Ab jetzt geht es bergauf, und der Gute Mann zieht von hinnen. Zum allerersten Mal habe ich beim Laufen Angst um mich. Irgendwie ist mir schwummerig im Kopf. Muss wohl die Summe der Umstände sein. Der Wettkampfmodus hat heute mal ausgeschaltet zu bleiben. Wohlgemerkt, ich laufe im letzten Drittel. Was für eine Schmach! Hätte ich doch auf die Pulsmesserin gehört! Aber wenigstens die eine Frau dort will ich überholen. Nur einmal überholen heute! Die Dame schnauft schon jetzt bei jedem Schritt. Wie will sie das bis ins Ziel schaffen?

Nach zwei Kilometern endet der Asphalt und mündet in einen Forstweg. Bergauf geht es trotzdem. Immer nur aufwärts. Ich will gehen! Aber vor mir laufen alle. Der erste Geher will ich nicht sein und schleppe mich weiter. Gedanken ans Aufgeben kommen. Die Gelegenheit dazu bietet die "Labe" bei km Fünf. Ich nehme Iso und Wasser, statt auszusteigen. Aber der Damm bricht. Ich gehe.

Glücklicherweise ist nach ein paar Schritten ein Scheitelpunkt erreicht. Danach geht es doch tatsächlich bergab! Was für eine Wohltat! Der nächste Anstieg wird umso schlimmer, denn jetzt zieht ein deutlich älterer Mann vorbei. Der hat noch nicht mal eine typische Läuferfigur! Wie bitter!

Mütze in 15 Euro Startgeld enthalten

Kurz vor dem VP bei km Acht überholt mich eine Frau, auch sie ist älter als ich. Da tun die beiden jungen Burschen deutlich weniger weh. Doch was ist das? Das Schnaufen kennst du doch! Tatsächlich, jetzt deklassiert mich die Dame vom Anfang! Hatte ich schon erwähnt, dass sie auch noch verletzt ist? Trotz Bandage ist sie schneller als ich.

Trotzdem kommt nun Freude auf. Die elende Forstautobahn ist nämlich zu Ende. Und die Strecke fällt zu Tal. Außerdem sind wir jetzt in der Bergwelt angekommen und queren eine Alm. Für die Aussicht bleibt kein Sinn, denn die sind alle auf den Boden gerichtet. Trailrunning! Es gibt sogar Matsch! Und prompt verlaufe ich mich. "Obi!", ruft der Streckenposten. Baumarkt? Nein, das soll wohl "abwärts" heißen. Ich schaffe es, die zerfurchte Weide zu passieren, ohne mir die Knochen zu brechen und werde mit einem flachen Stück Forststraße belohnt.

Das kann ich! Die jungen Burschen werden wieder abgehängt. Dann folgt der finale Anstieg zum Koschuta-Haus. Man sieht es schon da oben thronen und hört den Moderator. Noch etwa drei Kehren. Vielleicht 500 Meter. Vor mir dieser Ältere. Und davor die Verletzte. Er geht. Sie läuft. Wenn ich durchlaufe, kriege ich ihn. Aber ich muss immer wieder ein paar Schritte gehen. Trotzdem, ich erreiche ihn. Muss wieder gehen. In der letzten Kurve überhole ich - gehend!

Was bleibt, sind vielleicht 50 m Zielgerade, steil bergauf. Darauf die Verletzte. Ich reiße mich wenigstens einmal heute zusammen und sprinte das letzte Stück. Auf den letzten zehn Metern führt eine besonders steile Rampe zur Hütte und ins Ziel. Hier stelle ich die Frau und sinke direkt hinterm Zielstrich auf eine Bank.

Während ich bei einer großen Auswahl selbstgebackener Kuchen erstaunlich schnell regeneriere, kommt die jüngste Teilnehmerin auf Socken ins Ziel und bricht dort weinend zusammen. Ich beglückwünsche mich angesichts dieser Szene dazu, dass ich dem Drängen des Juniors widerstand und ihm die Teilnahme untersagte. Dabei endet der Lauf mit einem Jungentraum. Ein echtes Feuerwehrauto bringt uns zurück zum Start.