Dienstag, 31. Mai 2016

Rheinsteigextremlauf 2016

Rheinsteigextremlauf - was für ein Name! Wer möchte sich da nicht mit einem Finish brüsten, um sich fortan Extremläufer nennen zu dürfen? Nach der inoffiziellen Austragung von 2014 will ich mir heute das "echte" Extrem-Attribut verleihen lassen. Angesichts der überschaubaren Streckenlänge von 35 Kilometern scheint mir der Lauf für einen ersten Sehnentest unter Wettkampfbedingungen geeignet - mein läuferisches Comeback! Allerdings ist die Distanz mit reichlich Höhenmetern ausgestattet. 1250 sind es ihrer an der Zahl. Irgendwo muss das Extrem ja auch herkommen.

Das Ziel am Freibad auf der Rheininsel Grafenwerth soll die Familie zu einem Ausflug ins Siebengebirge locken. Doch als die Kinder hören, wann sie aufstehen müssten, heißt es: "Drachenfels? Da waren wir doch schon!" Immerhin begleitet mich die Pulsmesserin, um während meines Laufs ihre Bahnen im Schwimmbad zu ziehen (und meine Abholung im Ziel dieses Streckenlaufs zu sichern).

Ziel-Schwimmbad mit Blick zum Drachenfels

Nach dem Start am Rheinufer verhindern nach wenigen Hundert Metern die Bonner Verkehrsbetriebe ein zu schnelles Loslaufen. Sie gönnen uns eine Ruhepause an den geschlossenen Schranken eines Bahnübergangs. Nur das Spitzenfeld hat den Fahrplan eingehalten und diese Schikane bereits passiert.

Ungefähr nach zwei Kilometern geht es in die Hügel des Siebengebirges. Eine Treppe zwingt zu den ersten Gehschritten. Der befürchtete Stau bleibt hier aber aus. Und dann gerate ich in den Zweikampf der Damen um Platz Zwei und Drei. Gemeinsam mit der Drittplatzierten ziehe ich an der bis dahin Zweiten vorbei. Doch meine heimliche Pacemakerin schnürt so konstant die Berge hoch, dass ich sie ziehen lassen muss, wenn ich ein paar Reserven für die noch ausstehenden 1000 Höhenmeter behalten will.

Am Petersberg wird es so steil, dass ich wieder Gehen muss. Hier gibt es zwei Überraschungen. Meine "Pacemakerin" kommt wieder in Sichtweite. Sie geht nur ein paar Schritte vor mir. Und wie ich ihr gerade so auf die Pelle rücke, tönt die zweite Überraschung von hinten. "Darf ich mal kurz vorbei?", fragte die Drittplatzierte, die diesen steilen Single-Trail im Laufschritt nimmt.

Obwohl der "VauPe" auf dem Gipfel standesgemäß vor dem ehemaligen Gästehaus der Bundesrepublik aufgebaut ist und auch entsprechende Köstlichkeiten (Melone, Ananas) feilbietet, verpflege ich nur kurz und lasse damit die beiden Damen endgültig hinter mir.

Blick vom Drachenfels (Archiv)
Das nächste Mal zwingt mich, wie erwartet, der Drachenfels zum Gehen. Ein Zuschauer teilt mir mit, dass ich 19 Minuten Rückstand auf die Spitze habe. Aber was soll unsereiner mit so einer Information anfangen?  Das Erreichen des Hochplateaus ist nicht nur wegen des anstrengenden Aufstiegs atemberaubend. Die Aussicht auf den Rhein und die Insel möchten einen fast verweilen lassen, wäre man nicht schon mehrfach hier gewesen. An der letzten Schutzhütte hatte ich einen Läufer überholt, der erstmal den Rucksack abnahm, um zu rasten. So sollte man es eigentlich halten. Immerhin lasse ich kurz den Blick schweifen. Dafür greife ich die nächste Melonenscheibe am Gipfel-VP nur im Weiterlaufen, so dass mich der am Abstieg lauernde Fotograf kauend erwischt. "Mit vollem Mund zu laufen ist erlaubt, aber Sagen darfst du nichts!" Nach einem  Plausch steht mir ohnehin gerade nicht der Sinn.

Frohgemut widme ich mich dem Abstieg, denn beim vorbereitenden Lesen des Höhenprofils war mir ein schwerer Fehler unterlaufen. Ich hatte mir eingeprägt, dass nach dem Drachenfels alle nennenswerten Anstiege bewältigt seien. Irgendwie kommen mir bereits Zweifel, da erst etwa die Hälfte der Strecke gelaufen ist. Ein Mitläufer demoralisiert mich mit der Botschaft, dass noch die Löwenburg ihrer Bezwingung harre. Die höchste Erhebung war mir völlig durchgegangen!

Höhenprofil RHEX

Und so wird es doch noch schwer für mich. Weitere Gehpassagen müssen eingeschoben werden, sogar an Segmenten, die ich unter anderen Umständen als eher nicht so steil eingestuft hätte. Obwohl ich noch einige Male überhole, werde ich ab jetzt von drei oder vier Läufern, die sich ihre Kräfte weit besser eingeteilt haben (oder schlicht mehr davon besitzen), regelrecht abgehängt.
Rhine-Island-Big-Band
Man kennt es von der Marathonendphase. Jetzt beginnt bei jedem Kilometerschild diese Rechnerei. Ach, noch x Kilometer. Ein sub-Irgendwas ist aber noch drin. Ich hatte mir heute ein Finish unter 3:30 vorgenommen. Das wird auf jeden Fall klappen. Die Hochrechnungen schwanken zwischen 3:26 und 3:22. Auf dem letzten Kilometer scheint dann sogar ganz kurz eine sub 3:20 möglich. Wäre da nicht noch die steile Fußgängerbrücke zur Insel!

Letztlich werde ich nach 3:20:51 mit Pauken und Trompeten im Ziel empfangen. Denn dort spielt die Rhine-Island-Big-Band auf. Da hat Organisator Oliver Witzke wieder ordentlich was auf die Beine gestellt. Er fungiert auch als Moderator und empfängt mich als "messerscharfen Blogger, der immer schöne Laufberichte schreibt". Na, da kann man doch zufrieden die Partystimmung am Grill genießen und mal in Ruhe die ganze Palette der kostenlos gereichten, alkoholfreien Krombacher Biersorten durchprobieren.

Zielparty auf der Rheininsel




Donnerstag, 12. Mai 2016

Glück im Unglück

Mein Arsch ist im Arsch. Die Handballen sind taub, der Nacken steif. Länger als drei Stunden halte ich es einfach noch nicht auf einem Fahrradsattel aus. Doch warum fährt der Kerl plötzlich exzessiv Rad?

Schmerzen im Schienbein


Seit einem harten Intervall-Training Mitte April muckert das rechte Schienbein. Und der Düsseldorf-Marathon ein paar Tage später hat die Situation nicht unbedingt verbessert. Nachdem das Internet leer gegoogelt war, hatte ich meinen Orthopäden-Titel in der Tasche (Dr. med. Rasen) und stellte meine Diagnose: Sehnenscheidenentzündung - offenbar eine Überlastungserscheinung.

Die Symptome passten recht eindeutig zu den Beschreibungen in der Literatur:
  • Schwellung
  • Erwärmung
  • Schmerz, besonders beim Hochziehen der Zehen
  • "Schneeballknirschen" (man fühlt ein Knarzen in der Sehne, wenn man die Hand auflegt)
Die im Web prognostizierten Aussichten sind recht Furcht einflößend. Der Schmerz würde immer stärker, bis man letztendlich nicht einmal mehr gehen könne. Sei das Ganze erst chronisch geworden, dauere die Heilung besonders lang. Noch schlimmer, jeder erneute Lauf würde dann den Schmerz wieder hervorrufen. Und Schneeballknirschen sei bereits das Zeichen einer chronischen Entzündung. Angst!

Als Therapie verordnete ich mir daher:
  • Laufpause
  • Kühlen
  • Voltaren-Salbe 
  • Voltaren 25 -Tabletten als Entzündungshemmer
Laufpause - immerhin an der Ruhr

Die abgeschwächte Version der Voltaren-Tabletten ist rezeptfrei erhältlich. Eine Erhöhung der Dosis sollte das stärkere Präparat meiner Meinung nach emulieren können. Mehr als drei Stück am Tag erlaubt der Beipackzettel eigentlich nicht. Der Apotheker schien aber erfahren im Umgang mit entzündungsgeplagten Sportlern: "Nehm' Se nicht mehr als sechs ...".

Bangen und Hoffen


Es folgten Tage voller Zweifel. Nachts war es auch nicht besser. Mit der eisigen Kompresse am Bein und dauerndem Für und Wider im Kopf lag ich wach. Kurz gesagt, war da einerseits die Hoffnung auf eine rechtzeitige Genesung bis zur TorTour de Ruhr. Dem gegenüber stand die Sorge, ob es vernünftig wäre, ein (hoffentlich) gerade von Überlastung genesenes Körperteil als erste Maßnahme 24 Stunden lang zu schinden?

Und wie sollte ich mich überhaupt fit halten? So kam das eingangs erwähnte Alternativtraining auf dem Fahrrad zustande. Dass ich sogar im Schwimmbad war, zeigt wahrscheinlich das ganze Maß meiner Verzweiflung!

Die Entscheidung

 

Fünf Tage vor der TorTour schien es mir Zeit für eine Entscheidung zu sein, um einem Kandidaten von der Warteliste noch eine Chance auf Teilnahme zu geben.

Die Laufpause hatte mir drastisch vor Augen geführt, welch wichtiger Eckpfeiler meines Lebens plötzlich weggebrochen war. Genau diesen Eckpfeiler wollte ich dauerhaft sanieren, um ihn langfristig bis ins hohe Alter zu erhalten. In diesem historischen Lichte betrachtet, erschien ein einzelner abgesagter Lauf als relativ überschaubares Übel. Während eine Teilnahme das Risiko einer irreparablen Schädigung des Eckpfeilers oder besonders langer Reparaturmaßnahmen bedeuten könnte.

Den letzten Tropfen, den es noch brauchte, um mein Entscheidungsfass überlaufen zu lassen, lieferte ausgerechnet der Veranstalter selbst mit seinem finalen Newsletter. Darin wurde noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen reinen Selbstversorgerlauf handelt, den es mithilfe der eigenen Crew zu bewältigen gilt. Da der Radweg immer beschildert ist, und meine Einmann-Crew mir ihre ewige Gefolgschaft gelobt habt, könnte ich den Lauf - so redete ich mir ein - jederzeit privat nachholen.

Obwohl meine Therapie schon deutliche Erfolge zeigte, wuchs ich über mich hinaus und tat, was vernünftig schien. Ich sagte meine TorTour-Teilnahme ab.

(Rad-)Weg ins Glück


Offenbar fand mein tapferer Entschluss die Aufmerksamkeit einer höheren Macht. Als ich wieder wacker in die Alternativtrainings-Pedale trat, hatte man mir etwas in den Weg gelegt. Nein, diesmal keine Steine. Es war ein 20-Euro-Schein!

Schnöder Mammon oder Wink des Schicksals?


Ein Wink des Schicksals! Die Bestätigung meiner Entscheidung! Der Beginn einer neuen Glückssträhne! Ja, ja, so will ich es interpretieren!

Da wird mein Hintern wohl noch eine Weile zu leiden haben, wenn ich jetzt weiter brav meine Radrunden drehe.