Montag, 4. Juli 2016

Bergischer 6 Stundenlauf

Das Pulsmesser rennt jedem Rock hinterher. Als mich die führende Frau überholt, werfe ich alle guten Vorsätze über Bord und hänge mich dran. Eigentlich habe ich 60 Kilometer für den heutigen "Bergischen 6 Stundenlauf" geplant. Wenigstens will ich jedoch eine Ultrastrecke laufen. Ein Schnitt um Sechs Minuten pro Kilometer wäre demnach angemessen.

Eschbachtalsperre nach dem Lauf

Nun jage ich aber der Frau in einer guten 5er Pace hinterher. "Sollte auf der flachen Strecke auch möglich sein.", versuche ich mir Mut zu machen. Wenigstens meinen Plan, aller drei Runden zu verpflegen, halte ich ein. Nach meinem kurzen Stopp ist die Dame entschwunden. Ein Glück! Das befreit mich von meinem Verfolgungswahn. Nun kann ich die Runden um die Eschbachtalsperre im eigenen Tempo zuckeln.


Ausgeschrieben war ein "3km-Rundkurs (2800m) auf festem Waldboden." Nach den starken Regenfällen der letzten Nacht kann von festem Waldboden an vielen Stellen keine Rede mehr sein. So kommt auch der Trailfreund auf seine Kosten. Und die 2800 Meter langen drei Kilometer werden später auf 2900 Meter korrigiert. Diese Mehrleistung nehme ich natürlich gerne in die Bücher auf.

Meine private Strecken-Messung versagt heute völlig. Ohne Zweifel setzt irgendwann mein Verfall ein. Aber als mir die Uhr eine Pace um 9 Minuten vorgaukeln will, schenke ich ihr keinen Glauben mehr. Ich wechsele die Anzeige einfach auf Rundenzahl und Laufzeit. Auf Basis der krummen Rundenlänge rechnet es sich allerdings nicht so toll - schon gar nicht mit einem unter akuter Blutarmut leidenden Gehirn.

Wer misst, misst Mist

Der Drei-Runden-Verpflegungsplan ist längst aufgegeben, der kühle Morgen einem sonnigen Tag gewichen. Die kleinen Schauer werden dankbar als Kühlung angenommen. Ich muss inzwischen nach jeder Runde meine Kehle netzen. Das erhöht irgendwann den Druck auf die Blase in den unangenehmen Bereich. Dabei hat uns am Morgen der Organisator Oliver Witzke, tollkühn rittlings auf der Staumauer sitzend,  das "Miktieren und Defäkieren an der Strecke" ausdrücklich untersagt. "Also, ihr dürft unterwegs nicht Pissen und Scheißen!" Da hatten es dann wohl alle begriffen. Danach hat der Oli uns alle wie eine Schulklasse zum gemeinsamen Toilettenbesuch geführt. Nahe der Strecke stehen uns in einem kürzlich renovierten Motel die edelstens und umfangreichsten WCs zur Verfügung, die ich je bei einem Lauf benutzen durfte.

Ausreichende Streckenbewässerung *

Noch gut eine Stunde ist zu laufen. Die 60er-Marke rückt in greifbare Nähe, als plötzlich unter heftigem Hagel ein Wolkenbruch niedergeht.  Einige suchen vergeblich Schutz unter einem der Bäume. Andere Läufer werden mit Schirm auf der Strecke gesehen. Dieses Accessoire scheint sich langsam in den Läuferkreisen zu etablieren. Schon vorige Woche im zwölfstündigen Dauerregen des 24-Stundenlaufs wurde der Paraplü benutzt. Ich erwarte schon den Tag, an dem der Schirm zur vorgeschriebenen Pflichtausrüstung bei den ganz harten Trails zählen wird.

Zum Schluss zeigt sich mal wieder, dass Ultralaufen reine Kopfsache ist. Die letzte Runde kann ich nochmal recht hurtig angehen. Beim Schlussknall fehlen mir 207 Meter zur Vollendung der 22. Runde. Mit 63.593 Metern darf das Tagessoll dennoch als erfüllt gelten.


*Foto: Jo Klingone