Montag, 29. Januar 2018

Asphalt-Achter beim Pulheim Marathon

In Pulheim soll neben dem Körper auch der Geist ertüchtigt werden. Es gilt, heute für die "TorTour de Ruhr" langsames Asphalttreten auf einer eintönigen 5-km-Runde zu üben. Doch daraus wird nichts.

Zusammen mit den Staffel-Marathon-Läufern werden auch wir Einzel-Marathonis losgelassen. Wie ein Rennpferd, das aus der Startbox schnellt, reißt es mich ungewollt mit den Kurzstrecklern mit. So wird das nichts mit dem ruhigen, langen Lauf. Ich will keinesfalls schneller als in 3:30 finishen. Glücklicherweise gibt sich im Feld ein TorTourist mit seinem typischen, schwarzen Finisher-Shirt zu erkennen. Sein Träger, Marco, verdiente sich einst dieses Poser-Hemd auf der "Bambini-Lauf" genannten 100-km-Strecke. Für Pfingsten 2018 hat er, wie ich, für die 100 Meilen gemeldet. Und heute will er nach dreieinhalb Stunden fertig sein. Als ob das nicht schon genug Übereinstimmung wäre, erweist sich auch noch die Läufer-Chemie als passend. Die Kilometer und die Runden fliegen nur so vorbei. Ich vergesse das Zählen von beidem, so sehr bin ich ins  Reden und Zuhören vertieft. Aus meinem Mentaltraining auf eintöniger Strecke wird heute somit nichts. Das diskutierte Themenspektrum ist weit. Anfangs handeln wir noch die läuferische Vita ab. (Marco wandelte sich vom übergewichtigen Kettenraucher zum durchtrainierten Mountainbiker und Ultraläufer.) Am Ende entwerfen wir alternative Verkehrskonzepte für das Ruhrgebiet.


Und zwischenrein treffen wir Laufbloggerin Elke, die genauso munter schwatzend mit ihrer Laufpartnerin unterwegs ist. Sie nutzt die Gelegenheit auf dem engen Pendelstück, um das objektivscheue Pulsmesser abzulichten.

Marco ist in Sachen Marathonstreckenführung eingentlich abgehärtet, denn wie ich trabte er schon seine Runden beim Westzipfelmarathon oder in Bertlich. Doch achtfach den olfaktorischen Reizen eines Düngerhaufens und dem Hörgenuss einer gütergleisbegleiteten Fernverkehrsstraße ausgesetzt, kommt er nicht umhin zu betonen, dass Pulheim eindeutig den "anspruchvollsten" Kurs für sich reklamieren kann. Elke formuliert es in ihrem Blog so: "Die Pulheimer Strecke ist nicht mit überbordender Attraktivität gesegnet."

Bei einer Punktlandung in 3:29:57 geht Finisher-Glück nahtlos in Vorfreude auf den nächsten Marathon über, bei dem unsere Lauf-Gemeinschaft die Streckenführung zur Nebensache geraten lässt: am 18. Februar in Bertlich!

Montag, 22. Januar 2018

Auf dem Alpenpfad in die verschneite Toscana beim Lebensbogen-Ultra



Ganz in Weiß liegt sie vor uns, jungfräulich wie eine Braut. Eine unberührte Schneedecke bedeckt das Habichtswälder Basaltbergland. Im Licht der aufgehenden Morgensonne hinterlassen wir die ersten Spuren in diesem unerwarteten Wintertraum.
 
Wacholderheide
Wir, das sind ausschließlich Läufer aus dem Großraum Rhein-Ruhr, die sich in Zierenberg zum Lebensbogen-Ultra über 50 km und 2000 Hm eingefunden haben. Dass lokale Ultras fehlen, mag daran liegen, dass der Veranstalter, Jochen alias „Der Pate“ der Trail-Mafia und bisheriger Ausrichter des KEU in Düsseldorf, erst kürzlich in diese exzellente Gegend umzog. Er lebt jetzt als Kommunarde in der Lebensbogen-Gemeinschaft, die auch das Vertrauens-Café „Helfensteine“ betreibt. Dieses wohlig beheizte Objekt dient uns als Start und Ziel sowie als VP auf den 5 Runden.

Die namensgebenden Felsen sind das Ergebnis einer Basalt-Eruption und liegen seitdem direkt vor der Tür. Nun ja, die Tür kam wohl später hinzu. Wir verlassen sie mit dem Startsignal und müssen, nachdem ein paar von „Friedericke“ gefällte Bäume durchklettert sind, steil zu den Helfensteinen aufsteigen. Es ist gar nicht das Gefälle, dass uns den Atem raubt, sondern die großartige Aussicht von hier oben.

Helfensteine


Dabei sind wir noch nicht am höchsten Punkt. Erst nach einiger Kraxelei über einen Bergrücken erreichen wir den Gipfelgrat zum Dörnberg (578,7 m). Dass der Weg als „Alpenpfad“ bezeichnet wird, hat durchaus seine Berechtigung. Wobei von „Weg“ eigentlich keine Rede sein kann in diesem endlosen Weiß. Die Karte auf dem GPS-Reciever hilft daher bei der Navigation nicht weiter. Ich folge einfach den Fußspuren von Christoph, dem führenden Läufer. Ab Runde Zwei vertiefen wir unsere Eindrücke gemeinsam, nicht nur die der Füße!


Auf der Südseite des Bergmassivs führen schmale Pfade durch die sonnige Wacholderheide. Der Magerrasen liegt unterm Schnee, aber die Wacholderbüsche ragen wie Koniferen aus der Landschaft, die dadurch ein wenig an die Toscana erinnert und von den Einheimischen auch so genannt wird.

Der Laufgenuss weicht wilder Kletterei in einem vom Sturm niedergemähten Waldstück. Eine Fichte muss auf allen Vieren durchtunnelt werden. Der Pate hat ein Einsehen und erlässt uns ab der dritten Runde den Hindernisparcour durch diesen Mikado-Wald.


Der anfängliche Pulverschnee vollzieht während des Laufs eine Metamorphose. Den 50 Wörtern, die die Inuit für Schnee kennen, könnten wir heute noch ein paar hinzufügen. Das mittags sulzige Element friert später auf der Nordseite zu einem nun ausgetretenen, festen Pfad. Im Süden bildet sich dafür tiefer Schlamm.

Am Schaffen der Wege sind inzwischen auch dick vermummte Wanderer und Schlittenfahrer beteiligt. Selbst ein Kite-Surfer mit Snowboard lässt sich sehen. Alle starren mit ungläubigen Blicken auf Christoph, der mit nackten Beinen kurzbehost durch den Winter trabt und so auf dem kristallinen Untergrund ein beliebtes Foto-Motiv bildet.



6:17:16 dauert für uns beide der Laufurlaub in der verschneiten Toscana. Danach folgt Aprés-Ski für Läufer. Wir genießen das mafiöse Wellness-Programm im Vertrauens-Café und bejubeln die anderen Finisher.  Gemeinsam stoßen wir mit unseren Finisher-Trophäen, gravierten Weizenbier-Gläsern, auf den phantastischen Tag an. 

Freitag, 12. Januar 2018

Pokal, Medaille und Bestzeit beim Ratinger Neujahrslauf 2018

Wer fast täglich um die 5000 m schwimmt, der joggt auch ohne Lauftraining 10 km am Stück. Bei meiner Tochter ist Laufen nur ein Nebenprodukt der eigentlichen Sportart. Trotzdem entschließt sie sich, meinen Sohn und mich zum Ratinger Neujahrslauf zu begleiten.

Seit jenen Bambini-Tagen, in denen überzogener väterlicher Ehrgeiz dem Kind die Freude am Rennen nahm, ist es ihr erster Lauf-Wettkampf. Sie meldet für die 5-km-Distanz und zaubert aus dem Stand eine 23:55 aufs Ratinger Pflaster. Damit sichert sie sich den dritten Platz auf dem AK-Podest und den Stolz des Vaters. Als Finisherin der 40. Ausgabe der Veranstaltung bekommt sie wegen des Jubiläums sogar noch eine schicke Medaille.

Das edle Metall bleibt uns 10-km-Läufern seltsamerweise verwehrt. Ich reihe mich am Start direkt hinter meinem Sohn ein, der von seinem Trainer Enrico begleitet wird. Üblicherweise gewinnt Enrico Wettkämpfe wie diesen. Heute hat er sich als Pacemaker für meinen Nachwuchs zur Verfügung gestellt. Es gilt, die bereits auf der Bahn gelaufene "sub 40" auf der Straße zu bestätigen - einer Erkältung zum Trotz. Ich will heimlich auch an diesem Schrittmacher-Service teilhaben, jedenfalls so lange wie die 62 BaTalU-Kilometer vom Vortag in den Beinen es zulassen.

Der Lauf ist die reine Freude. Dass ich mir ansonsten so ein Tempo nach-ultra nicht abverlangt hätte, ist dabei nur ein positiver Nebeneffekt. Vor allem bekomme ich bestätigt, wie gut der Junge in seiner Mannschaft aufgehoben ist. Immer wieder korrigiert der Coach einfühlsam, gibt Tipps (die auch mir helfen), spendet Windschatten im eisigen Gegenwind und hat an der richtigen Stelle motivierende Worte parat. Nicht das ganze Repertoire findet meine uneingeschränkte Begeisterung. "Dem alten Sack zeigen wir es!", gehört nämlich auch dazu, als die beiden die väterliche Verfolgung bemerken.

Scheinbar hat er damit beim adoleszenten Bestzeit-Aspiranten genau den richtigen Nerv getroffen. Denn bei Kilometer Neun explodiert der Junge förmlich. Ich muss das Duo ziehen lassen. Einmal abgehängt, fehlen mir Ziel, Wille und Biss für einen anständigen Endspurt. Den legt stattdessen der Junior hin und finisht in sagenhaften 39:04, was ihm den Pokal für den AK-Sieg beschert. Was mag da auf flachem Kurs, ohne Gegenwind und Erkältung erst drin sein!?

Mit meinen 39:28 liege ich nur 6 Sekunden über meiner schnellsten Zeit auf dem Ratinger Kurs.  Den Rest des Tages bade ich in einer Suppe läuferisch-väterlichen Glücks.




Dienstag, 9. Januar 2018

Belgische Verhältnisse beim 1. Bach-Tal-Ultra (BaTalU)

"Irgendwann wird der Junkie zum Dealer.", orakelte Andreas bei unserem Kennenlernen. Gemeint war damit, dass jeder Laufsüchtige irgendwann einen eigenen Lauf veranstaltet. Heute ist es bei mir so weit. 19 Willige haben sich eingefunden, um die 62 km des 1. Bach-Tal-Ultras zu erkunden. Drei weitere Starter wollen sich mit 26 km begnügen.

Bisher wurde oft "Waterloo" verstanden, wenn der gleichnamige Titel der Gruppe ABBA erklang. Seit dem heutigen Lauf wissen wir, dass die Schweden eigentlich "BaTalU" singen. Als Auftakt zum Lauf lässt mein Sohn diese BaTalU-Hymne aus einem mobilen Bluetooth-Speaker erklingen, bevor er den Startschuss abfeuert. Er hat sich eine passende App installiert, so dass auch der Schuss virtuell aus dem Lautsprecher knallt.

Gelaufen wird aber ganz real mit beiden Füßen. Allerdings nicht immer mit festem Boden darunter. Die Streckenverhältnisse entsprechen eher einem Traillauf in Belgien. Der Dauerregen der letzten Tage hat die Wege sehr gut angefeuchtet. Neben den ausgeschriebenen Bach-Tälern haben sich spontan noch weitere Bäche gebildet. Der Sturm legte hier und da ein paar zusätzliche Bäume über den Weg.

"Baumatisierte" Lauferin in Zusatz-Baum
Die Teilnehmer lassen sich davon die gute Laune nicht trüben. Im Gegenteil, es scheint, als haben alle Spaß an solchen Herausforderungen. Einmal wird es dann doch ernst, als ein Sturz zu einem gebrochenen Finger führt und die geplante Teilnahme von Andreas am Spine Race in Frage stellt. Die gestandenen Ultras sind selbst auf solche Notfälle vorbereitet. Dietmar hat nicht nur alle von mir im Road-Book genannten Wegpunkte als laminierte Liste dabei, sondern auch den Track vorab studiert und um potentielle zusätzliche Verpflegungspunkte erweitert. Somit kann der Verletzte in die Wärme einer nahegelegenen Backstube gebracht werden, wo die pragmatische Bäckersfrau aus einem tiefgefrorenen Croissant-Rohling ein Kühlpack bastelt und so "Finger-Food" ganz neu interpretiert. Meine Frau überlässt den VP der Obhut meiner Kinder und überführt den Verletzten.

Bachquerung
Auch im Spitzentrio, das ich als Navigator begleite, kommt es zum Sturz. Oliver stolpert und fällt neben dem Weg in die Tiefen des Stindertals. Als er sich wieder zum Pfad hochgerappelt hat, meint er nur lakonisch: "Ab jetzt habe ich ein paar Höhenmeter mehr als ihr!" Ich freue mich einmal mehr, dass so gutgelaunte, sympathische Menschen meiner Einladung gefolgt sind. Sogar die schnellste Frau Ratingens, Gladys Just, konnte für den Lauf gewonnen werden. Sie ist zwar nicht selbst gestartet, harrt aber lange an der Strecke aus, um zusammen mit ihrem Partner Teilnehmer-Fotos vor der historischen Kulisse der Wasserburg "Haus zum Haus" zu schießen.

Auch mir bleibt ein Sturz nicht erspart. Ein Bauer reinigt mit kräftigem Strahl seinen Traktor. Das Wasser spritzt weit über den Weg, den wir zu passieren haben. Bei einem sommerlichen Städte-Marathon ist so eine Abkühlung willkommen. Heute würden wir lieber trocken bleiben. Also beschließe ich, Traktor und Bauer zu "hintergehen". Meine Begleiter preschen aber ungerührt auf dem offiziellen Pfad weiter, wo der Landmann sie schließlich entdeckt. Spontan richtet er rücksichtsvoll seinen Schlauch nach hinten. Also auf mich! Meine plötzliche Ausweichbewegung endet im Matsch am Boden. Erst duschen und dann in den Schlamm fallen ist eindeutig die falsche Reihenfolge!

Als ich die Führungsriege ins Ziel begleite, sitzen dort schon Drei! Es ist die "Raketengang", die ein Fahrzeug nach der Marathon-Distanz abgestellt hatte, und auf diese Weise dem Lauf noch eine 43-km-Wertung hinzufügt.

Wir laben uns an den reichlich gespendeten Kuchen (Veganer Rotwein-Kuchen von Inga, Schoko-Mandel-Kuchen von Gladys sowie Apfel- und Pflaumenkuchen von der Pulsmesserin). Die anderen Finisher, die nach und nach eintrudeln, halten es ebenso. Dadurch erweist sich mein Einkauf für den VP als ziemliche Fehlplanung. Braucht jemand zufällig gerade 65 Bananen?

Auch die Kinder haben schlecht geplant. Als kleine Kompensation für den gerade erlebten Auslandsurlaub hatte ich sie zum Einsatz am VP, zur Zeitmessung und zur Urkundenausgabe im "Wettkampfbüro" verpflichtet. Dort haben sie eine selbstgestaltete "Helferspendenbox" aufgestellt. Das Kistchen erweist sich als deutlich zu klein! Vielen Dank an die großzügigen Läufer!

Vor allem aber möchte ich mich für eure positive, fröhliche Stimmung bedanken. Es war mir eine Freude, den Tag mit so sympathischen Gleichgesinnten bei unserem gemeinsamen Hobby zu verbringen!